Moin Moin!
Johannes Milke ist Gründungsmitglied und Vorstand der Genossenschaft, “Wir bauen Zukunft”. In diesem Gastbeitrag gibt er Einblicke in die Vision und das Konzept des Zukunftsortes und lädt zu einem utopischen Gedankenexperiment ein.
Was steht hinter der Idee, einen Zukunftsort auf dem Land zu entwickeln?
Wir bauen Zukunft ist ein visionärer Zukunftsort mit Modellcharakter in
Mecklenburg-Vorpommern. Auf dem Grundstück eines ehemaligen Forschungszentrums und Besucherparks entsteht ein regeneratives Ökosystem für Innovation, Bildung und kreatives Wirtschaften auf dem Land. Ziel ist es, im Einklang mit Natur und Umwelt tragfähiges
Wirtschaften im ländlichen Raum zu fördern und modellhaft vorzuleben.
Das Projekt stärkt sanften Tourismus, verknüpft unternehmerische Aktivitäten unterschiedlicher Branchen und schafft so langfristig Arbeitsplätze und Perspektive für Menschen in der Region. Als Ort mit Modellcharakter demonstrieren wir adaptierbare und skalierbare Alternativen für ein zukunftsfähiges Leben und werden damit Teil von einem immer weiter wachsenden Netzwerk des Wandels.
“Ich glaube fest an die Kraft von Zukunftsorten: Eingebunden in die Natur, vernetzt mit der Region und gehalten von einer wertebasierten Gemeinschaft, entwickeln Zukunftsorte eine Strahlkraft für die Welt.”
Wie seid Ihr auf die Idee zu dem Projekt gekommen?
Auf ökologischer, sozialer und ökonomischer Ebene stehen wir vor enormen Herausforderungen, aber es gibt auch großes Potential für eine Transformation, hin zu einer hoffnungsvollen Zukunft – wenn wir uns zusammenschließen und mit Unternehmergeist, Phantasie und visionärem Pragmatismus daran arbeiten. Die Gruppe kennt sich teils durch den Earthshipbau in Schloss Tempelhof, teils durch POC 21, einem von Open State und Oui Share organisierten Camp für Open Source Innovation, das
während des Klimagipfels 2015 in der Nähe von Paris stattgefunden hat. Das Gründungsteam wollte einen Ort schaffen, an dem wir über temporäre Zusammenarbeit hinaus dauerhaft experimentieren und langfristige Perspektiven schaffen können.
“Wir wollen im Einklang mit der Natur wirken und gemeinwohlorientiert handeln. Gleichzeitig möchten wir unsere Vision eines besonderen Ortes möglichst vielen Menschen zugänglich machen und dabei innerhalb planetarer Grenzen wirtschaften.”
Welche Erfahrungen bringt das Team mit und wer steht noch hinter dem Projekt?
Das aktive Team der 2016 gegründeten Genossenschaft, Wir bauen Zukunft eG, vereint Kenntnisse aus den Bereichen (soziales) Unternehmertum, Organisationsentwicklung, Gemeinschaftsbildung, Architektur, Pädagogik, Gastronomie, Marketing und Kommunikation, Permakultur und Expertise in den Bereichen nachhaltige Landwirtschaft,
sowie Tischlerei, Zimmerei, nachhaltiges und energieeffizientes Bauen und erneuerbare Energien.
Die Genossenschaft arbeitet mit öffentlichen und privaten Organisationen und Kooperationspartnern, um gemeinsam einen Mehrwert in der Region Westmecklenburg und darüber hinaus zu schaffen. Das Projekt hat die Rückendeckung der lokalen Politik und ist fest eingebunden in die regionale Entwicklung des Landkreises, Ludwigslust-Parchim. Zuletzt
wurde der Genossenschaft eine umfassende Förderung (SEM) für die Weiterentwicklung des Projekts durch den Regionalbeirat Westmecklenburg zugesprochen. Wir bauen Zukunft ist
Teil der Genossenschaft, Coworkland eG und als Zukunftsort ausgezeichnetes Mitglied im Netzwerk Zukunftsorte. Zusammen mit Partnern, wie Viva con Agua, Wigwam, Goldeimer, Neulandia, Neuland21, DEVE-LUP, Kreative MV und vielen weiteren spannenden Organisationen erwecken wir den Ort zum leben und tragen die Erfahrungen in die Welt.
Wie finanziert sich das Projekt und wie ist das Geschäftsmodell?
Der Kauf des Geländes wurde der Genossenschaft durch ein privates Darlehen ermöglicht. Investitionskosten wurden vor allem durch die Einlagen der Genossenschaft gedeckt und durch einen erheblichen Anteil ehrenamtlichen Engagements vieler Menschen und Organisationen im erweiterten Netzwerk der Projektgruppe ermöglicht.
Die Genossenschaft verfolgt ein hybrides Geschäftsmodell. Umsatzerlöse gliedern sich in einzelne Geschäftsbereiche, welche in einer ganzheitlichen Erfahrung für Besucher:innen und Nutzer:innen des Ortes zusammen- spielen. Wir schaffen Erfahrungsfelder, Möglichkeitsräume und Reallabore – von der Organisation und Durchführung von Team-Retreats bis hin zur Planung und Umsetzung von Großveranstaltungen stehen wir als Team unseren Partner:innen mit Kopf, Hand und Herz zur Seite. Mit Kreativität und vielfältiger Expertise schaffen wir gewerbliche und kulturelle
Angebote und sind somit ein sozialer Knotenpunkt in der Region und Inspirationsquelle für Menschen und Organisationen, die einen positiven gesellschaftlichen Wandel unterstützen.
Für wen ist Coworking und Coliving auf dem Land interessant?
In unserem Coworking Space arbeiten Digitale Nomad:innen, Teams und Selbstständige verschiedener Tätigkeitsfelder in einem inspirierenden und naturnahen Umfeld Seite an Seite mit unserem Team und anderen Gästen. Zu uns kommen Menschen, die digital arbeiten können und eine Alternative zum Home Office suchen. Aktuell sind das vor allem temporäre Aufenthalte von Menschen aus großen Städten, die Abwechslung zur urbanen Enge und Zugang zur Natur suchen. Als Teil des digitalen Wandels hin zum mobilen und flexiblen Arbeiten, eröffnet sich Menschen aus der Region Zugang zu einer kreativen Arbeitsumgebung. Unsere Retreat-Angebote sind vor allem für Angestellte und Teams von Organisationen interessant, die neben der digitalen Zusammenarbeit auch im physischen
Raum zusammenkommen wollen und dafür ausgefallene Orte suchen. Durch die Übernachtungsmöglichkeiten und das Café vor Ort, können unsere Gäste das Coworking Angebot in einem mehrtägigen Aufenthalt zu einem tiefgehenden Coliving-Erlebnis machen.
Eine Besonderheit in der deutschen Coworking-Landschaft ist unsere Werkhalle. Hier können begeisterte (Hobby-) Handwerker:innen ihre mobilen Traumhäuser bauen und sich von einer kreativen und erfahrenen Werkstattgemeinschaft inspirieren lassen. Wer es sich selbst nicht zutraut oder nicht die Zeit dafür hat, kann sich von unseren Partnerunternehmen ein fertiges Tiny Haus bauen lassen. Als Teil einer offenen Werkstatt- gemeinschaft können Menschen schweißen, drechseln und ihre eigenen Ideen verwirklichen.
“Der Austausch mit einem kreativen Netzwerk von Menschen und Organisationen in einem einzigartigen Ökosystem lässt kreative Ideen sprießen und fördert eine regenerative Arbeitskultur.”
Welchen Beitrag leistet das Projekt für die Region?
Mit unserem Lernraum leisten wir im Rahmen vielfältiger Angebote einen positiven Beitrag zur Stärkung des Umwelt- und Gemeinschafts- bewusstseins in einer sich schnell wandelnden Welt. Gemeinsam mit Kindern, Jugendlichen, Lehrer:innen und Eltern erforschen wir, welche
Kompetenzen es in der Welt von morgen für ein zukunftsfähiges Leben benötigt. Der nach Permakultur-Prinzipien angelegte Waldgarten ist das Herzstück für Bildungsprojekte rund um Natur- und Ressourcenschutz. In unseren offenen Seminaren zu Themen wie Permakultur, Holzbau, Tiny House, Innovation und Soziales Unternehmertum bieten wir ein vielfältiges Angebot zum Lernen und Vernetzen. Darüber hinaus öffnen wir regelmäßig unsere Türen für Repair-Cafés für Fahrräder und technische Geräte, Tage der offenen Tür, Platzführungen und Kennenlern-Wochenenden, Begegnungs- und Tausch-Cafés und diverse Mitmach-Aktionen im Waldgarten und bei Baustellen.
Wie geht es weiter?
Ziel der nächsten Projektphase ist es, die Bereiche Gastronomie, bauliche Infrastruktur, Veranstaltungs- und Seminarbetrieb sowie das Wertangebot so zu konzipieren, dass sich daraus eigenständige, wirtschaftlich tragfähige Geschäftsbereiche entwickeln.
Mit dem Antrag zur Änderung des bisherigen Bebauungsplans steht das Projekt nun vor einem bedeutsamen Meilenstein. Die Änderung ermöglicht zentrale Elemente des Wirtschaftsplans und stärkt damit das Projekt als Anlaufstelle und Leuchtturm für Nachhaltigkeit, Vielfalt und Unternehmertum in der Region.
“Hier gehen Arbeit, Wohnen und Erholung fließend ineinander über, mit Weitblick geplant, ästhetisch gestaltet und in das bestehende ökologische System eingebunden.”
Schwerpunkt: Bau- und Siedlungsplanung
Mit dem in der letzten Genehmigungsphase befindlichen neuen Bebauungsplan wird die nächste Phase der Projektentwicklung von weitreichenden nachhaltigen Baumaßnahmen geprägt sein. Der Bau von Tiny Homes als Übernachtungsmöglichkeiten lässt Gäste erleben,
wie attraktiv und ressourcenschonend Wohnen auf kleinem Raum ist. In den geplanten betriebsbedingten Wohnunterkünften wird modellhaft vorgelebt, wie innovatives Wohnen der Zukunft aussehen kann: mit kleinen Individual- und großen, kooperativ genutzten Gemeinschaftsflächen. Dieses Modell ist nicht nur ressourcenschonend, sondern durch seine
Skalierbarkeit ein Vorzeigeprojekt, wie auch Geringverdiener:innen Zugang zu einem bezahlbaren Wohnraum mit hoher Lebensqualität ermöglicht werden kann. In der Konzeption der Bebauung des Geländes werden außerdem innovative Heiz- und Energiesysteme geplant, sodass perspektivisch alle Strukturen (Gästeunterkünfte, Veranstaltungsräume, Wohnbereich) bei geringem Energieverbrauch ganzjährig genutzt
werden können.
Ein Real-Utopisches Gedankenexperiment:
Stell’ dir eine Welt vor, in der Menschen wieder zueinander gefunden haben. Verbunden mit ihrer inneren Mitte, mit anderen Menschen, den Weisheiten der Welt und mit der Natur.
In dieser Welt wird nicht nur Nachhaltigkeit gelebt, sondern auch dafür Sorge getragen, dass unsere Mitwelt heilen kann, dass die Konflikte der letzten Jahrzehnte gelöst werden, die Biosphären wieder gesund sind und grundlegende Bedürfnisse für zukünftige Generationen erfüllt sind.
Diese Welt ist möglich. Mit einer neuen Lebensweise und dem Verständnis, dass alle Lebewesen Platz auf dieser Erde haben können, verbinden wir Vergangenheit und Zukunft mit der Gegenwart. Die Wege dahin sind so vielfältig wie das Leben selbst.
Viele Alternativen sind schon da. Weltweit öffnen Zukunftsorte einen Raum dafür, diese Ideen zusammenzutragen, weiterzuentwickeln und in die Welt zu tragen. Hier kommen Menschen ko-kreativ zusammen, um auszuprobieren, Potenziale zu nutzen, regenerative Lebensweisen zu erproben und voneinander zu lernen.
Wir bauen Zukunft ist ein solcher Zukunftsort.
Über Johannes Milke:
Johannes ist derzeit im Vorstand der Genossenschaft und baut den Bereich Coworking auf. Die letzten 10 Jahre war er als Innovationsberater und Unternehmer in Berlin und auf der ganzen Welt unterwegs. Bei Wir bauen Zukunft kann er viele Erfahrungen, Skills und Kontakte einbringen.
Links:
https://wirbauenzukunft.de
https://www.hauptsachetiny.de
https://openstate.cc/poc21/
https://coworkland.de/de
https://wissen.zukunftsorte.land/orte/wirbauenzukunft
https://www.vivaconagua.org
https://www.kreative-deutschland.de/netzwerke/netzwerk-der-kultur-und-kreativwirtschaft-in-mecklenburg-vorpommern/
https://deve-lup.de
https://goldeimer.de
https://neuland21.de
https://neulandia.de
Bildrechte:
Wir bauen Zukunft eG // Michael Taterka
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